
Hofübernahme
Dank Ting erkennt Martina: die Bedingungen für die Hofübernahme sind untragbar. Eine andere Lösung muss her.
Du hast Community Geld bezogen. Wofür?
Ich hatte die Möglichkeit, einen Landwirtschaftsbetrieb zu übernehmen – und wollte in Ruhe prüfen, ob das tragbar ist.
Nicht als romantische Idee, sondern ganz konkret: Was kostet es? Was brauche ich? Was ist meine Vision?
Am Ende wurde klar: Die Bedingungen waren untragbar.
Aber genau diese Klärung war wertvoll – weil sie mir ermöglichte, Verantwortung zu übernehmen und neue Wege zu finden. Heute pachte ich den Hof zu faireren Bedingungen.
Weshalb ist dieses Thema wichtig?
Weil Landwirtschaft uns alle betrifft.
Sie ernährt uns – und gleichzeitig gibt es riesige Spannungen: zwischen Stadt und Land, zwischen Konsument:innen und Produzent:innen.
Diese Gräben sind gefährlich. Ich sehe darin aber auch eine Chance Brücken zu bauen. Ich bin selbst Konsumentin und Produzentin – genau da liegt das Potenzial für Dialog.
Was ist der Mehrwert für die Gesellschaft?
Der Anbau von Nahrungsmitteln ist uraltes, wertvolles Wissen, dem wir Sorge tragen müssen.
Wenn wir das vergessen und alles Saatgut und die Produktion Grosskonzernen überlassen, verlieren wir viel – an Vielfalt, an Souveränität, an Zukunft.
Wir müssen Wege finden, immer mehr Menschen zu ernähren – ohne die Umwelt weiter zu zerstören. Das ist eine riesige Aufgabe, und jede:r von uns spielt dabei eine Rolle.
Was hat sich für dich durch die Weiterentwicklung bzw. durch Ting verändert?
Ich hatte zum ersten Mal genug Zeit, um wirklich zu prozessieren.
Zu merken: Prozesse sind nicht immer linear, nicht immer angenehm.
Ich habe gelernt, immer wieder Abstand zu nehmen, neu hinzuschauen, nicht an meiner Idee zu kleben – sondern offen zu bleiben. Das war nicht nur für dieses Projekt wichtig, sondern für mein ganzes Leben.
Geld von Fremden – Wie fühlt sich das an?
Ich habe mich das anfangs wirklich gefragt: Darf ich das?
Aber dann merkte ich – durch dieses Geld konnte ich drei jungen Menschen helfen, sich auf ihre EFZ-Abschlussprüfungen vorzubereiten.
Ohne diese zeitlichen Ressourcen wäre das nie möglich gewesen.
Also ja – ich habe nicht nur genommen, ich habe auch weitergegeben. Im grösseren Kreis betrachtet war das genau richtig so.
Was würdest du anders machen und weshalb?
Ich würde definitiv mehr Ich-Zeit und Ferien einplanen. Weil Landwirtschaft ist nicht einfach ein Beruf, es ist ein Lebensentwurf. Wenn man da nicht saumässig aufpasst, machts schwups und ein halbes Jahr ist durch und man wundert sich, dass man erschöpft ist.
Würdest du Ting deinen Freunden empfehlen?
Das mache ich schon fleissig. Am meisten Widerstand kommt lustigerweise von Menschen, welche aus meiner Sicht frustriert mit ihren beruflichen Tätigkeiten sind. Ihnen versuche ich aufzuzeigen, was für eine wahnsinnige Chance und Privileg es ist, sich mehr Zeit nehmen zu dürfen, um zu prüfen, was einem wirklich mit Sinnhaftigkeit erfüllt.
Was gibt es noch zu sagen?
Nach der Prüfung meiner Eingabe habe ich vorallem die kritischen Stimmen mitgenommen. Die die sagte, nicht noch mehr umweltschädliches unterstützen. Dies hat mich getroffen, ich habe es aber mitgenommen und mir Gedanken gemacht und verspüre sogar Dankbarkeit, weil es mich zum Nachdenken und Prüfen gebracht hat. Es würde mich sehr freuen, wenn diese kritischen Stimmen - und natürlich auch andere Interessierten - vorbeikommen und sich das mal anschauen und wir zusammen einen Dialog führen können. Denn essen müssen wir, die Frage ist nur was wir essen und wie es produziert wurde.