«Ich reagiere auf Autoritäten nicht so gut, auch auf meine eigene nicht.»

26.05.2020 von Ondine Riesen

Tobias (39) Bern. Vater und Co-Präsident Wohnbaugenossenschaft Warmbächli, freischaffender Genossenschaftsorganisator

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Ich und mein Studium haben sich auseinandergelebt.
Ich wusste schon länger, dass es nichts mehr für mich ist, aber abgebrochen habe ich erst, als mir klar war, dass ich eine Lehre als Schreiner beginnen wollte. Als ich mich entschied abzubrechen, war es ein Befreiungsschlag. Dass ich ein paar Jahre nach der Lehre, Genossenschaften organisiere statt Möbel baue, war nicht der Plan. Das war ein schleichender Prozess.

Erst war es ein reines Egoprojekt: Ich wollte mit Freunden zusammen ein Mehrfamilienhaus kaufen. Das Projekt ist ein bisschen aus dem Ruder gelaufen und jetzt schaffen wir Wohnraum für 200 Menschen. Aus meinem freiwilligen Engagement haben sich bezahlte Mandate für verschiedene Projekte entwickelt. Vieles hat sich einfach ergeben. Meistens, weil gerade niemand da war, der es besser konnte. Dann hab ich es gemacht und Neues dabei gelernt. Aber es hatte immer irgendwo Menschen, die eine Ahnung hatten und uns helfen konnten. 

Ich finde, es hat weniger Mut als Zeit gebraucht,
sich gratis so intensiv zu engagieren. Ich hatte die Zeit, weil ich wenig Geld verdienen musste und nicht viel Geld ausgebe. Ich bin privilegiert: meine Eltern könnten mich unterstützen, wenn nötig, ich hab ein breites Netzwerk und muss mich nicht mit Diskriminierungen rumschlagen. Das hat auch geholfen, mich gegen eine Profitmaximierungskarriere zu entscheiden. Bei unserem Projekt wird niemand reich. Wir setzen zwar mega viel Geld um, aber für alle im Vorstand gibt es 1’000 Franken im Jahr. Ein Business aufbauen war nie das Ziel unseres Projekts. Wichtiger war, dass wir zusammen entschieden und gemeinsam daran gearbeitet haben. 

Vielleicht ist das Geschmacksache. Aber ich finde, man sollte Dinge im Team machen: Damit man mit jemanden diskutieren und gemeinsam reflektieren kann. Man sollte sehr vom Vorhaben überzeugt sein aber trotzdem sicherstellen, dass die Konsequenzen des Scheiterns tragbar sind. 

Es gibt immer wieder Momente, in denen ich es mit der Angst zu tun kriege.
Wir sind mit sehr basisdemokratischen Ansprüchen gestartet. Aber ein Projekt dieser Grösse braucht gewisse Hierarchien. Das habe ich nicht antizipiert und auch nicht die Verantwortung die mir damit zukommen würde. Ich hatte Angst als schon viel Geld investiert war und nicht klar war, ob es wirklich funktionieren würde. Ich habe immer noch Ängste. Was, wenn das Resultat unpraktisch wird. Die Mitbewohner*innen sagen die Küche sei zu klein oder das Zimmer zu gross. Als Leiter der Baukommission verantworte ich das alles mit.

Wir hätte uns wohl nicht darauf eingelassen, wenn wir gewusst hätten, dass es 10 Jahre dauern und 40 Millionen Franken kosten würde. Aber das ist wahrscheinlich, wie die meisten grossen Projekte entstehen: dass man sie am Anfang unterschätzt. 

www.warmbaechli.ch

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