Schild mit Beschriftung "All you need is less"

Muss es immer mehr sein?

24.11.2022 von Nicole Egloff

Dass wir nicht einfach weiterkonsumieren können als gäbe es kein morgen, ist längst bekannt. Die Frage «Wie viel ist genug?» stellt sich sowohl bei den Konsumgütern als auch beim Geld. Sein Geld nicht nur für seine eigenen – oftmals längst befriedigten Bedürfnisse – zu nutzen, sondern andere auf ihrem Weg zu unterstützen, das ermöglicht die Ting-Community.

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Im aktuellen Energie-Krisen-Winter ruft der Bund zum Energiesparen auf. Zwar wirken Tipps wie «Kochen mit Deckel», «Licht immer löschen» und «Kaffeemaschine ausschalten» nicht unbedingt bahnbrechend, um nicht zu sagen selbstverständlich. Spätestens beim Tipp, die Heizung runter zu drehen oder zu duschen anstatt zu baden, geht es aber nicht mehr nur um Bequemlichkeit, sondern um Verzicht. Um Suffizienz also.

Effizienz, Konsistenz und eben Suffizienz: Sie sind quasi die heilige Dreifaltigkeit der Nachhaltigkeitsdiskussion. Effizienz steht für das Streben nach energie- und ressourcenschonenderen Weiterentwicklungen. Also beispielsweise Geräte, die mit weniger Energie die gleiche oder mehr Leistung wie ihre Vorgängermodelle erbringen. Konsistenz verfolgt das Cradle-to-Cradle-Prinzip; sie betrachtet den ganzen Kreislauf eines Produktes und versucht diesen so nachhaltig und so regenerativ wie möglich zu gestalten. Nichts soll aus dem Kreislauf verschwinden, sondern alle Materialien werden möglichst wiederverwendet.

Ein überfüllter Kleiderschrank
Wie viel wovon brauchen wir wirklich?

Nachhaltig einkaufen, aber…

Effizienz und Konsistenz sind «in». Man kauft im Bioladen ein, achtet beim Gerätekauf auf Ökolabels und Energieettiketten und auch ökologisch produzierte Fair Fashion gibt es inzwischen für jeden Kleidungsstil passend. Dies führt schnell zum so genannten Rebound-Effekt. Weil wir ein gutes Gewissen haben und zudem ja auch die Produzent:innen dieser nachhaltigen Produkte unterstützen möchten, kaufen wir mehr davon als wir zwingend bräuchten. 

Hier kommt der dritte Begriff, die Suffizienz ins Spiel. Ihr lateinischer Wortursprung «sufficere» oder auf deutsch eben ausreichen, genügen deutet schon an, wohin der Weg führt: 

Nur so viel zu konsumieren, wie wir wirklich brauchen. Das ist in den allermeisten Fällen deutlich weniger, als wir effektiv konsumieren und fühlt sich deshalb paradoxerweise für viele schnell nach Verzicht an. 

Eine kleine Tipp-Auswahl, um suffizienter zu leben:

  1. Reparieren, statt neu kaufen
  2. Teilen, statt kaufen (zum Beispiel das Auto, wenig benutzte Geräte etc.)
  3. Weniger Flugreisen 
  4. Mehr pflanzliche Anteile in der Ernährung
  5. Weniger Foodwaste
  6. Qualitativ hochwertige Produkte mit langer Lebensdauer kaufen
  7. Oder wie es der Bund vorschlägt: Duschen statt baden und weniger stark heizen.
Veganer Salat als Symbol für vegane Ernährung
Wie viele Ressourcen nutzen wir wofür?

Immaterielle Suffizienz

Suffizienz findet aber auch auf einer immateriellen Ebene statt. Brauche ich immer noch mehr Lohn? Arbeite ich nicht lieber weniger und gehe dafür meinen eigentlichen Leidenschaften nach? Bin ich nicht zufriedener, wenn ich meine Arbeitskraft für Sinnvolles einsetzen oder kann ich gar meine eigentliche Leidenschaft zum Broterwerb machen – auch wenn ich Lohneinbussen in Kauf nehmen muss? Und würde es mein ganz persönliches Glück nicht steigern, wenn ich mit einem Teil meines Ersparten anderen bei ihrer Weiterentwicklung helfe, anstatt es für eine ungewisse Rendite in undurchsichtige Anlagen zu investieren? Die Ting-Community strebt genau dies an. Sowohl geldgebende Möglichmacher:innen als auch die Empfänger:innen des zeitlich begrenzten Community-Geldes profitieren davon. Ganz nach Mani Matter, der schon Anfang der 1970er-Jahre sang: 

Dene, wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger guet geit.

Ting - Genügsamer in Sachen Geld

 

Wie viel Geld brauche ich wirklich? Wie viel Geld brauchst du wirklich? Alle Mitglieder zahlen monatlich einen Betrag auf ein Gemeinschaftskonto ein. Wir bauen zusammen ein Vermögen auf, das allen transparent und in Form eines zeitlich begrenzten Einkommens zur Verfügung steht. So entstehen Raum für neue Ideen, sinnvolle Pausen und Projekte, welche die Zukunft gestalten. #tingting

 

Wie es genau funktioniert?

Mehr dazu

Der Untergang des Kapitalismus

Ein Problem bleibt jedoch: Lebten alle Menschen konsequent suffizient, dann wäre zwar die Umweltbelastung deutlich kleiner, aber unser ganzes System, das auf dem Kapitalismus aufgebaut ist, würde kollabieren. Denn dieses ist auf Gewinnmaximierung ausgerichtet und funktioniert nur, wenn immer noch mehr konsumiert wird und die Wirtschaft wächst. Da wir aber weit davon entfernt sind, dass alle ihr Leben nach nachhaltigen Kriterien ausrichten, ist es an uns, eine Vorreiterrolle einzunehmen und die Welt ein Stück besser zu machen. Bis irgendwann alle nachgezogen haben, haben wir hoffentlich auch den Kapitalismus in seiner heutigen Form überwunden. 

Finger in einem Honigglas, welches überläuft
Wann ist mehr einfach zu viel?

#staytuned

Und weil auch das Thema einen Blogbeitrag übersteigt, erscheint dazu eine Fortsetzung: Im Nächsten treffen wir auf die wissenschaftliche Grösse «subjektiv genügendes Mass» und wir gehen der Frage nach, wie man auch mit weniger zufrieden sein kann – ganz persönliche Tipps inklusive. Der Ting Newsletter garantiert dir, dass du einmal monatlich über spannende Inhalte informiert wirst.

Mehr zum Thema

Das Ting Team empfiehlt...

 

Wie viel Umverteilung braucht es? Mani Matter brauchte es schon im Jahre 1970 mit dem Klassiker «Dene wos guet geit» auf den Punkt. Dabu Fantastic und stimmreise.ch haben zum 50. Todestag ein Cover gewagt. Reinhören via SRF

 

Wie viel Arbeit braucht es? «Grundsätzlich aber bedeutet weniger arbeiten mehr Klimaschutz. Genauso wichtig: Die Forschung zeigt, dass weniger Arbeit die meisten Leute zufriedener macht.» Mehr lesen via WWF

 

Wie viel Schnäppchenjagd braucht es? Anlässlich des Black Friday stellen sich die Moderierenden der «Sternstunde Philosophie» Barbara Bleisch und Yves Bossart so einige Fragen bezüglich Kaufrausch und Konsumverzicht. Beitrag schauen via SRF

 

Wie viel Haltungsänderung braucht es? Unsere Freunde des Think & Do Tank Dezentrum haben in ihrem Podcast (Folge 8) mit Tilman Santarius über die Suffizienz gesprochen. Im Fokus: Der digitale Alltag. Reinhören via Dezentrum

 

Wie könnte eine echte Wohlstandsgesellschaft aussehen? Konsum macht uns nicht wirklich reich. Vivian Dittmar skizziert die Grundpfeiler eines Lebens, das in einer anderen Art reich ist: reich an Zeit, erfüllenden Beziehungen, Kreativität und Verbundenheit mit der Natur. Unser Buchtipp

 

💚 Dank an Nicole (aus Begeisterung freuen wir uns schon heute auf deine Anmeldung 😉)

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