Die Geschichte, wie Ting zum Entstehen kam. 

10.03.2020 von Ondine Riesen

Dass wir Grosses vorhatten, wussten wir. Zwischen neugierigem Kennenlernen, freudiger Antizipation und organisatorischer Abgeklärtheit schoben wir im Februar 2019 Holz nach. Ein Bauernhaus in Sumiswald diente uns sechs als Garage zur Entwicklung der einen grossen Idee, die sich zunächst nur als diffuses Gefühl der Vorfreude manifestierte.

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Da waren wir also. David, Flurin, Malik vom Think tank Dezentrum, Ondine, Ralph und Silvan vom Verein Verein Grundeinkommen; die Gruppe, die fortan dezentrale Zukunftsvisionen mit finanzieller Grundsicherung zu einem zivilgesellschaftlichen Projekt verbinden wollte. Wie, würde sich noch zeigen. Zuversichtlich zumindest, waren wir. Diskutiert haben wir Sozialsysteme, generalisiertes Vertrauen, Kontrolle, Gemeinschaftsgüter, Vollbeschäftigung und die Kombination von Birnen, Randen und Baumnüssen für den Wintersalat.

Dass uns ein wilder Ritt bevorstehen würde, hätten wir bereits daran erkennen können, dass wir «Versicherung» dachten, «Transformation» fühlten und «Befähigungsnetzwerk» protokollierten. Es galt, einen Modus zu finden, wie wir individuelle Visionen mit gesellschaftlich Sinnvollem und faktisch Machbarem in Einklang bringen würden. Und dies, mit dem Anspruch, iterativ, dezentral, professionell, speditiv und mit Freude zu erarbeiten.

«Wie macht man das?»

In den kommenden Monaten haben wir eine arbeitsfähige Organisation aufgebaut. Wir haben Kommunikationskanäle bestimmt, Arbeitspakete geschnürt, Bulletpoints über shared Documents geteilt. In Retraiten sammelten wir Painpoints, stellten Hypothesen auf, werteten Umfragen aus und testeten Werbemassnahmen. Wir haben Userstories, Blueprints und Prototypes, von Flipcharts und Excelltabellen in Codes übersetzt. Personas geformt, Valuepropositions identifiziert und immer wieder haben wir über Geld gesprochen.

Was ist es mit Geld, das uns peinlich berührt? Wie überwinden wir das allgemeingültige Missverständnis, dass Lohnarbeit synonym für Tätigsein steht? Oder anders: Warum ist die Existenzgrundlage in Zeiten der Digitalisierung noch immer an Erwerbsarbeit gekoppelt?

Während wir hyperfokussiert, schnell und überzeugend bei der Arbeit waren, zogen mehr und mehr Meilensteine an uns vorbei. Die Stimmung war heiter. Wir machten jetzt Insiderwitze. Die einst lose Gruppe hat sich zu einer ernsthaften Crew entwickelt, deren agiler Modus Operandi sich jedem neuen Hindernis mit Leichtigkeit stellte. Wir waren geschickte Ninja Turtles, denen aber das Geld langsam ausging.

Wir brauchten eine Pitchdeck-Präsentation, mit der wir bei Stiftungen anfragen konnten. «Ralph, erkläre du die Fondsmechanik», «Malik, vereinfache du den Businessplan», «Flu, besorg uns Illustrationen», «Ondine, mach mal Text rein», «Dave, sieht das gut aus?», «Silvan, hol Feedback ein.» «Wo kriegen wir Geld her? Leute, wo kriegen wir Geld her?!»

Der stossgebetartig herbeigewünschte Hoffnungschimmer kommt schliesslich von Silvan. «Sie sind skeptisch, aber interessiert. Jetzt müssen wir liefern.» Wenn wir vorher bereits schnell unterwegs waren, legten wir noch einen Zahn zu. Wir mussten Ziele konkreter definiert, die operative Funktionsweise klären und einen Zeitplan für die kommenden drei Jahre kalkulieren. Der Businessplan musste angepasst, das Budget verfeinert, eine GmbH gegründet, Rollen geklärt, rechtliche Fragen beantwortet, ein Kommunikationskonzept aufgesetzt werden und noch mehr. Die Arbeit hat so viele Energien freigesetzt und auch absorbiert, dass wir uns gelegentlich daran erinnern mussten, dass wir nebenher noch ein Leben führten, mit einem neugeborenen Kind, einer Ausbildung, einer ungeklärten Wohnsituation, Erschöpfungszuständen und anderen beruflichen und gemeinschaftlichen Einbindungen. Wumms! hat es gemacht und das Jahr war vorbei.
 

«Ting»

Das diffuse Gefühl der Vorfreude vom Februar 2019 heisst heute «Ting». Es ist eine digitale Plattform, auf der sich Mitglieder Geld und Wissen zur Verfügung stellen und durch den Migros-Pionierfonds gefördert wird. Wir konnten innerhalb eines Jahres eine Firma gründen, die den Weg ebnen wird, persönliche und gesellschaftliche Weiterentwicklung zu ermöglichen. Dieses beflügelnde Gefühl in der Brust möchten wir nun mit möglichst vielen teilen dürfen. Darum gibt es «Ting»: Damit diffuse Gefühle der Vorfreude zu konkreten Projekten werden, mit denen wir gemeinsam eine zukunftsfähige Gesellschaft gestalten.

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