«Heute bin ich vor allem glücklich, nicht mehr in dieser Bank zu sein.»

09.07.2020 von Ondine Riesen

Richard St. Ofle (40) Sacramento USA. Vater, Drehbuchautor 

 

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Aufgewachsen bin ich in einer kleinen Kleinstadt in den Bergen der Sierra Nevada in Nordkalifornien. Es gab nur den einen Laden, zu dem ich zu Fuss gehen konnte. Ein VHS-Verleih - keine Ahnung, was ein VHS-Verleih weit draussen in den Wäldern machte, aber er wurde mein Zufluchtsort. In der Mittelstufe tauchte ich in die Twilight Zone ein, als Teenager, hatte ich jeden Hitchcock-Film gesehen. Ich hatte einen unersättlichen Appetit auf Film, aber vor allem auf das Erzählen von Geschichten. Ich führte Tagebuch, schrieb Kurzfilme und erzählte Freunden grosse lange fiktive Geschichten, die ich als Wahrheit ausgab. Ich war ein unersättlicher Geschichtenerzähler, aber wie so viele Amerikaner in meiner Generation wurde ich in einen schlecht passenden Job in Corporate America der Konzerne hineingezogen. 

Ich arbeitete für eine Bank. Ich hasste sie, und ich bin mir ziemlich sicher: sie mich auch. Zur Arbeit zu gehen, war Folter. Ich musste mein Gehirn den ganzen Tag über Dinge nachdenken lassen wie: Geldautomatenkarten, Überbeziehungsgebühren und effektive Jahreszinsgebühren. Und auch Nachts zerstampften die Gedanken meinen Kopf. Es war eine Welt, in die ich nicht gehörte. 

Erst mit 29 Jahren entdeckte ich wirklich, wer ich war und was ich eigentlich sein sollte. Nach dem intensivsten, schönsten und bedeutsamsten Sommer meines Lebens, konnte ich nichts anderes als ihn aufzuschreiben. Es fühlte sich an als hielt ich an einer heissen Pokerkarte in meinem Kopf fest. Ich musste sie loslassen. Das tat ich dann auch. Mich zwang ein überwältigendes Gefühl, dass ich gar nichts anderes sein konnte als ein Schriftsteller. Ich schrieb ein Buch, was mich zum Schreiben von Drehbüchern und schliesslich zur weltweit angesehensten «School of Cinematic Arts» in L.A. führte. Ich hatte wirklich Glück, denn ich durfte bei einer meiner Lieblingsfernsehsendungen «Bones» mitschreiben und beinahe hätte ich mit einem meiner Lieblingsregisseure Dwight Little zusammengearbeitet. Das war eine aufregende Zeit.

Heute bin ich vor allem glücklich, nicht mehr in dieser Bank zu sein. Mein Buch, die Ausbildung, Hollywood: Nichts davon wäre passiert, wäre ich nicht ein Risiko eingegangen. 

 

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