«Man sollte sich nicht schämen, sich zu erkundigen.»

27.07.2020 von Ondine Riesen

Myriam Diarra Schutzbach
44, Biel, Fachfrau Betreuung und Bewegungspädagogin, Mutter

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Nein, es war nicht meine Idee. Sie kam von Franziska Schutzbach, meiner Schwägerin und Fork Burke, meiner Freundin. Beide hatten bereits eigene Bücher veröffentlicht. Ich selbst hatte keine Ahnung wie das geht. Neben dem Wissen hätte mir wohl auch der Mut dazu gefehlt.

Wir tauschten uns einmal mehr über Rassismus in der Schweiz aus. Wir besprachen die Situation der Frau und die der schwarzen Frau in der Schweiz und in Biel. Die verschiedenen Geschichten betroffener Frauen zu hören, beeindruckte Franziska auf eine neue Weise. Sie meinte: «wir sollten ein Buch machen.» Eines mit Testimonials drin, damit die Leute eine Idee kriegen und einen Perspektivenwechsel vollziehen können. Das ist nun ganze fünf Jahre her. 

Also ein Buch! Ich war super motiviert, da mich Rassismus leider seit jeher begleitet. Aber mit einem Kleinkind zu Hause und einem auf dem Weg, wusste ich, dass es mir viel Engagement abverlangen würde. Mit meinen zwei Jobs im Theater und der Tagesschule würde es viel werden. Und trotzdem: Ich war bereit für das Abenteuer. Ich wusste, das Thema ist wichtig. 

«Ist das denn wirklich nötig?», «Gibt es keine anderen Probleme?», «Warum aber nur schwarze Frauen?» Ich wollte nicht schon zu Beginn von Kommentaren enttäuscht werden. Also hab ich es gelassen, mit Anderen darüber zu sprechen. Ich wollte mich ja nicht entmutigen lassen. Ich entschied, das Vorhaben erst im Stillen voranzutreiben. 

Das Geld war eine Knacknuss: Wir erhielten zunächst 15 Absagen von Kanton, Stiftungen und anderen Institutionen. Die Motivation trotzdem weiterzumachen, fand ich in der Geduld. Ich bin gewohnt, mit dem Thema auf keine Resonanz zu stossen. Ich hatte zeitlebens das Gefühl, dass das niemanden interessiert. Darum hielt ich meine Erwartungen an eine mögliche Finanzierung klein. Wir entschieden, es anders zu probieren. Ein Bekannter, der durch eine körperliche Behinderung, selbst täglich mit Benachteiligung konfrontiert wird, wusste wie man ein Crowdfunding durchführt. Er half uns mit dem Video, der Organisation und alle dem. Am Geld sollte es nicht scheitern, war das Credo. Noch bevor wir wussten, ob wir das Projekt finanzieren könnten, führten wir die 11 Interviews durch und organisierten 5 weitere von Frauen geschriebene Texte. Der Brotsuppe Verlag erteilte uns eine Zusage und die Grafikerin und Fotografin fanden wir auch. Vieles geschah gleichzeitig und ich kann die Chronologie kaum rekonstruieren. Das Crowdfunding klappte und 19’000 Franken kamen zusammen. Darauf hin erhielten wir sogar noch Geld vom Kanton.

Das Buch ist inzwischen erschienen. Die Vernissage hätte im Mai sein sollen, dann im Juni. Jetzt haben wir sie auf den September verschoben. Coronabedingt.

Die Menschen gratulieren mir. Ich freue mich natürlich und bin sehr stolz, aber eigentlich sollte es dieses Buch gar nicht mehr geben müssen. Das Aufflammen der Black Lives Matter Bewegung in der Schweiz, ist in meinen Augen ein trauriger und guter Zufall für unser Buch. Die Situation mit Corona erlaubt der Gesellschaft, sich anders mit verschiedenen Themen zu beschäftigen. Menschen sind sensibler geworden. Vielleicht deswegen ist die Diskussion explodiert. Es war ja schliesslich nicht das erste Mal, das ein schwarzer Mensch von einem weissen Polizisten getötet wurde. Es ist schön was alles dadurch passiert, aber auch so erschöpfend für uns Betroffene.

Was ich anderen mitgeben würde? Wenn man wirklich etwas will, sollte man sich nicht schämen sich zu erkundigen. Am besten bei mehreren Menschen und das wiederholt. Man darf nicht denken, das Projekt sei nicht gut genug. Vielleicht ist das Timing nicht richtig. Wenn man wirklich Lust hat und glaubt es müsse verwirklicht werden, muss man dran bleiben und um Hilfe bitten.

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I will be different every time – Schwarze Frauen in Biel 
(Hrsg.) Franziska Schutzbach, Fork Burke, Myriam Diarra
Biel, Brotsuppe Verlag, 2020. 

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