Was macht Katrin mit dem Community-Einkommen?

01.09.2021 von Katrin von Niederhäusern

Die Mitglieder, die ein Community-Geld erhalten, werden gebeten die Erlebnisse ihrer Weiterentwicklung mit der Community zu teilen. In ihrem Beitrag erzählt uns Katrin, wie sie ihre Fähigkeiten erweitert, Nacktwanderer trifft und warum sie durch die Schweiz tanzt. 

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Tanzend durch die Schweiz.

Wir verbinden unsere Leidenschaft – das Lindy Hop tanzen – mit meiner Faszination für die Filmproduktion. In 56 Szenen tanzen wir in einer Choreografie durch die 26 Kantone. Das ganze drehen wir in 6 Wochen und kämpfen uns durch x Vorbereitungsstunden, viele «Nein, sorry das geht leider nicht»-Emails, Wetter-Strich-durch-die-Rechnungen und klassische technischen Schwierigkeiten.
I love it!

Dancing Across Switzerland

Ich will Filme verstehen, aber vor allem machen: Produktion, Planung & Organisation, dann Dreh, Schnitt, Dramaturgie und Postproduktion. Aber soll ich studieren? Eine Weiterbildung machen? Das alles entspricht eher weniger meinem Typ, also entscheide ich mich, projektweise meinem Traumberuf näher zu kommen. Ting unterstützt mich dabei: Das erste Mal, dass ich nicht meine Freizeit und mein Erspartes für eine Weiterentwicklung opfern muss.

Aber jetzt konkret: Zusammen mit Janine Wiget (ebenfalls selbstständige Illustratorin & Grafikerin) habe ich mir für 2-3 Monate eine durch Ting finanziell abgesicherte Auszeit genommen. In dieser Zeit realisieren wir ein Filmprojekt, um somit über Produktion, Dreh und Schnitt zu lernen. Und – wie sich dann später herausstellen wird – um einen ersten Fuss ins neue Berufsfeld setzen zu dürfen.

Janine und Katrin tanzen vor einer Bergkulisse

Was finde ich wichtig daran

Film war schon immer meine grösste Leidenschaft, aber ich habe etwas «sicheres» gelernt. Das habe ich zwar nie bereut, denn Grafikdesign kann ich in vielen Bereichen sehr gut brauchen und in der Werbebranche habe ich das konzeptionelle Denken erlernt – was ich liebe. Doch durch eine filmische Weiterentwicklung kann ich endlich einen Schritt in die Richtung wagen, in der es mir noch mehr «underem Füdli chützelet*». Ich hoffe, dass ich damit auch andere inspiriere, ähnliche Träume und Projekte zu realisieren. Und ja wirklich… Ting macht es möglich, dass wir damit nicht bis zur Pension warten müssen. Also los, jetzt!

 

Das Produktionsauto und ein Käserei von innen
Mit diesem alten Chlapf fahren (bzw. schleichen) wir über Schweizer Pässe, die Route führt uns auch in die Gruyere-Käse-Produktion.
Links: Eine Herde Schwarznasenschafe. Rechts: Autorin voller Stolz die Faust gegen oben reckend
Links: Geduld am Set mit Schwarznasenschaf “Edelweiss”. Rechts: Das Gefühl nach einem perfekten Shot.

Die Leidenschaft, im Guten wie im Bösen. 

Durch unser Filmprojekt lernen wir die Schweiz auf neue Arten kennen. Wir entdecken Orte, an denen wir noch nie waren und vielleicht sonst nie gesehen hätten. Wir treffen Leute (und Tiere - Hooi Schwarznasenschaf «Edelweiss» und Appenzellerhund «Bless»), mit denen wir vielleicht nie einen Berührungspunkt hätten, sei es nicht wegen diesem Film. Das liebe ich an solchen Projekten: Man muss auf Menschen zugehen, aus seiner Komfortzone ausbrechen und oftmals eine so grosse Passion mitbringen, dass man “5 Stunden auf Nebel warten” aushalten kann. Wir hatten ständig das Endprodukt im Kopf, was uns oft einen extra Push gab und ab und zu auch an einen ungesunden Perfektionismus grenzte. Doch hey, am Schluss lohnt es sich immer. Auch wenn Details, wie «Diese eine Kuh da hinten, die brauchen wir unbedingt im Frame, lass sie uns in’s Bild zeuklen» wohl nicht für jeden sichtbar sind, so schwingen sie doch unbewusst in der Ästhetik mit. 

Dreh im Nebel
Diese Kuh hat Janine eigenhändig ins Bild gezeukelt. Übrigens haben wir ca. 5 Stunden auf diesen Nebel gewartet.
Links: gefährlichster Shot auf den Gleisen der RHB :). Rechts: rutschigster Shot auf dem Corvatsch-Gletscher.
Grenzt fast an einen ungesunden Perfektionismus.
Sprachbarriere hin oder her…
… genug Passion um spontan 4 Italiener auf einer Engadiner Baustelle anzuhauen.
Das Projekt bringt uns immer wieder in unerwartete Situationen. (hihi)
Unsere liebsten Stativ-Improvisationen.

Wir lernen von Profis

Ich habe schon ein paar kleine Filmprojekte in meiner Freizeit gemacht, doch erst jetzt hatten wir endlich genug Zeit und Mittel mit verschiedenen Spezialisten zu reden und von ihnen zu lernen. Mit Jon Bollmann von Transhelvetica besprechen wir unsere Idee und diskutieren über Dramaturgie, spezielle Orte und interessante Traditionen und Trachten in der Schweiz (...in unseren Köpfen fängt es gleich an zu sprudeln). 

Mit der Idee im Sack, hüpfen wir als nächstes in einen Video Call mit Ursula Signer. Zusammen mit Andi Cortellini hat sie das Buch «Hobby Buddies» konzipiert und umgesetzt (mittlerweile mein lieblings Foto-Buch aus der Schweiz). Schweizer Tradition gemischt mit einer ganzen Portion Absurdität. Wie macht man das? «Wir sollen einfach fragen, hartnäckig bleiben, recherchieren nochmals fragen und am Schluss machen. Wir hätten ja schon ein grafisches Auge, so sollte es mit den schönen Hintergründen kein Problem sein». Sehr inspiriert von diesem Gespräch machen wir uns an die Szenenauswahl und fangen an, Leute zu kontaktieren, die wir gerne im Video hätten. «Bleibt aber auch spontan» riet uns Ursula noch zuletzt. Das wollen wir – und so wird unser Video eine Mischung aus organisierten Shots, und spontanen Momentaufnahmen - Natürlich, wie immer mit viel mehr Zeit und Aufwand als gedacht. (Siehe Kalender-Einträge)

Learning: Es braucht immer mehr Zeit als gedacht, egal was ;-)
Links eine geplante Szene mit Heidi und ihrer Alphorn-Crew in Luzern, rechts spontan mit diesen Herren im Jura.
Learning: Ist der Boden auch nur 0.1% uneben, wird eine saubere Drehung 10x schwieriger.
Die Mittagssonne war am schlimmsten…

Mit Kevin Blanc von Lauschsicht besprechen wir, welches Equipment für ein solches Projekt am besten geeignet ist. Das neue iPhone mit den 3 Linsen, in 4k filmen mit 30fps, dazu ein einfaches Stativ. Ich dachte wir bräuchten mehr. Doch die Kamera vom iPhone kommt an professionelle Linsen ran, also entscheiden wir uns dafür. Eigentlich zweimal perfekt: So haben wir leichtes Gepäck (für einige Shots, müssen wir insgesamt 6 Stunden wandern) und jagen mit der kleinen Linse nicht gleiche alle kamerascheuen Menschen davon. 

1) Touristen im Bild, 2) Sonne im Bild, 3) Unerwünschte Statistin im Bild

Neben dem Produktionstechnischen Know How, haben wir uns durch unsere Bekanntschaften aber auch ganz metier-unabhängiges Wissen angeeignet: Wenn man das erste mal einen ganzen Chor jodeln hört, gibt das Gänsehaut. Die ersten Alphörner wurden aus massiven krummen Baumstämmen geschnitzt. Eine Kuh frisst ca. 100 kg Gras jeden Tag und es dauert fast eine ganze Stunde, bis eine Appenzeller «Geele» Tracht wirklich mit jedem Detail (Inklusiv Löffel-Ohrenring!) richtig sitzt. (Ach ja, dass wir damit übrigens gleich 4 Tradition gebrochen haben, darauf gehe ich ein andermal ein ;))

Weitere Leute von denen wir lernen und profitieren durften: 

Urs Wehrli und David Lüthi haben uns schweizerisch untypische und grafisch interessante Orte angegeben. Mit Thomas Zollinger haben wir uns lange über Kunstprojekte ausgetauscht. Maximilian Speidel hat uns bezüglich Drohne beraten und Koni Lottenbach hat uns dann beim Drohnen-Shot geholfen und uns gezeigt, wie man eine Drohne perfekt fliegt. Lukas von von Niederhäusern hat uns sogar einen Überraschungs-Shot organisiert. 

Knifflige Zeiten

Wir kennen es und trotzdem wird es nie einfacher. Die Kurve in solchen Projekten sieht ungefähr so aus. Wie geht man damit um, wenn man mitten in der Krise steckt? 

Wenn wir feststecken – sei dies konzeptionell oder in der Umsetzung – hilft uns einen Schritt zurück. Mit einem Spaziergang, mit Gesprächen die sich nicht um das Projekt handeln, mit einem neuen Tag oder mit einem zeitlich perfekt passenden Mail von Ting. So erhalten wir Distanz zum Projekt, können neue Energie tanken und mit frischem Wind wieder step by step an die Lösung des Problems herangehen. 

Und: am Ende kommt es schon gut. Wir wollen in Zukunft noch mehr lernen, darauf zu vertrauen. Und wenn es doch mal schlecht kommt, dann haben wir immerhin etwas dabei gelernt. (Diesen Satz würde uns mitten in der Krise auf die Palme bringen!!! – im Nachhinein stimmt es aber wirklich.)

Was sind die nächsten Schritte

Wir sind mit Kevin Blanc im Gespräch, ob es mal zu einem gemeinsamen Filmprojekt kommen könnte (Janine und ich sind natürlich bereits am Ideen suchen). Doch zuerst dürfen wir ein Filmprojekt für die Wunderkammer in Zürich realisieren. Die Anfrage kam lustigerweise genau nach unserem allerletzten Shot. Zusätzlich sind wir in Kontakt mit Victorinox für ein Film- oder Animationsprojekt. Und am meisten freuen wir uns, dass wir Ende September die Riklin-Brüder kennenlernen und sie über ihre Konzept-Kunst Projekte ausfragen dürfen. Wir hätten nicht erwartet, dass so viel ins Rollen kommt. 

Gedanken nach dem Projekt

Neben dem erlernten Know How war diese Erfahrung noch viel mehr: zu wissen, dass man mit einer abgesicherten Auszeit etwas Neues wagen kann ist in vielerlei Hinsicht sehr bereichernd. Mein Lieblings-Punkt: Der Druck, welcher ständig im Hinterkopf an’s Geld und die Zukunft denkt, ist diesmal weg. Das bringt Raum und Platz für Gedanken, die im Alltag meist keinen Platz hätten. Was will ich tun? Wo ist meine Leidenschaft? Was will ich bewegen? Wie kann ich mit meiner Arbeit bei Menschen etwas auslösen? Was ist meine authentische Art? 

Der vergleich zum klassischen Grafikdesign bringt es auf den Punk: Gute Gestaltung braucht vor allem viel Weissraum. Dasselbe gilt bei Projekten: Gute Motivation und gute Energie brauchen Platz und Raum um zu erstehen. Ist alles vollgestopft mit Terminen, hüpft man vom einen Videocall zur nächsten Todo Liste. So kann kaum etwas freies – etwas, das aus dem Innersten kommt – entstehen. 

In einer Auszeit hat man endlich die Möglichkeit Energie in solche Gedanken zu stecken (und Janine würde wohl jetzt behaupten, dass das Universum darauf reagiert und uns deshalb gleich 3 solche Schritte in Richtung Film geschickt hat.) Ob es am Schluss Magie, Zufall oder Schicksal ist, ist eigentlich egal. Toll ist, dass es funktioniert. Danke Ting, für diesen Raum.»

© Katrin von Niederhäusern & Janine Wiget
Dieser Text wurde erst hier publiziert.
25. August 2021

Katrin von Niederhäusern

Zürich, Illustratorin, Grafikerin, Lindy Hop Tänzerin
Mehr zu Katrin und ihrer Arbeit: https://katrin.cool
 

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