Olga T. an der Handorgel bei einem ihrer Schiffskonzerte

Weiterentwicklung der Liedkunst

02.03.2025 von Olga Tucek

Olga nutzt Ting als Katalysator für neue Erzählungen, gesellschaftliche Verbindung – und eine Kunst, die Wandel möglich macht.

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Du hast Community-Geld bezogen. Wofür?

Es ging um die Weiterentwicklung meiner Liedkunst – konkret um die Entstehung eines neuen Programms und darum, neue Spielorte zu finden.
Ich wollte meine Konzerttätigkeit ausbauen, und zwar bewusst abseits konventionell-kommerzieller Pfade.
 

Weshalb ist dir dieses Projekt so wichtig?

Meine Kunst erzählt von neuen Lebensentwürfe und Ausstieg aus dem jetzigen, ausbeuterischen System. Und ich möchte das leben, wovon ich auf der Bühne singe und spreche.

 

Olga bei einem ihrer Schiffskonzerte
Olga bei einem ihrer neu konzipierten Schiffskonzerte

Wo siehst du den Mehrwert für die Gesellschaft?

Ganz konkret: Das sicht- und hörbare Resultat meiner Weiterentwicklung war meine Première in der Reformierten Kirche Affoltern am Albis. 150 Frauen – aus vollkommen unterschiedlichen Himmels- und Lebensrichtungen – waren da und erlebten mit mir einen stärkenden, zuversichtlichen und enorm stimmigen Abend.

Ebenso konkret wurde der Konzertabend auf einem Schiff im November zu einem ganz besonderen, zauberhaften Ereignis (Schneefall in Zürich… :-)), das auch viele neue Menschen an meine Konzerte gebracht hat.

Insgesamt scheint es mir gelungen zu sein, durch die entspannte finanzielle Lage dank des Community-Geldes viele neue Menschen zu erreichen, die meine Kunst schätzen. Einer der Sätze, die ich oft höre, lautet: „Du sprichst Missstände an, gibst aber mit deinen Liedern auch viel Zuversicht und Handlungsspielraum.“

Gleichzeitig hat sich ein tragendes Netzwerk von Menschen gebildet, die selbst Konzerte mit mir veranstaltet haben – sei es im Garten an einem Fest oder einfach so. Diese neue Art des aktiven Kulturgenusses – und eben nicht nur Konsums – empfinde ich als eine sehr schöne, lebendige Form des Miteinanders durch Kunst.

Was hat sich durch Ting verändert?

Zuallererst konnte ich mich in diesen sechs entspannten Monaten von einem enormen Druck befreien – finanziell, aber auch mental.
Dieser Satz, der so oft im Raum steht: „Wenn du mit Kunst überleben willst, musst du tun, was der Markt verlangt“ – er hat mich lange begleitet.

Dank des Community-Geldes durfte ich etwas ganz anderes erleben: Da ist eine Gemeinschaft um mich herum, die aktiv an meiner Kunst beteiligt ist und mich auf vielerlei Arten unterstützt.

In diesem Gefühl des Getragen Seins – frei von Druck, geborgen in einer Community – konnte mein neues Programm „Stell Euch vor!“ entstehen.
Ein sinnliches Gesamtkunstwerk mit neuen Instrumenten, einer Art Bühnenbild und einer durchdachten Struktur – all das wäre mir vorher nicht möglich gewesen, weder zeitlich noch finanziell.

 

Du beziehst dafür Community-Geld von Fremden: Wie fühlt sich das an?

Es hat sich für mich von Anfang an sehr stimmig angefühlt – vielleicht auch, weil ich schon vor meinem eigenen Projekt mit grosser Freude die Weiterentwicklungen anderer gelesen habe.
Ich bin es in gewisser Weise gewohnt, auch finanziell im Rahmen von Gemeinschaft getragen zu werden, und deshalb fühlte ich mich mit dieser Form der Unterstützung durchgehend wohl. Und nicht zuletzt auch deshalb, weil ich als Kulturschaffende die Zusammenarbeit mit Kulturstiftungen kenne – und genau deshalb oft gescheut habe.

 

Ting - kurz erklärt

 

Wir bauen mit monatlichen Beiträgen ein gemeinsames Vermögen auf, das allen Mitgliedern transparent und in Form eines zeitlich begrenzten Einkommens zur Verfügung steht. So entsteht Zeit für Innovationen, Kreatives und Neuorientierung. Wir schaffen Chancen und gestalten Zukunft. #tingting

 

Mehr Infos

Angenommen, deine Weiterentwicklung würde morgen nochmals starten: Was würdest du wieder so machen?

Ich würde auf jeden Fall die Freiheit nutzen, um tiefer und mit Luft und Zeit in meine Kunst hinein zu lauschen. Ich würde mich wieder vollkommen auf meine Intuition verlassen, um Anfragen für Konzerte zu beurteilen (und eben nicht finanzielle Kriterien in den Vordergrund stellen). Ich würde mit meiner Community meine Lust an deren "Mitarbeit" wieder thematisieren. Ich würde auch bei etablierten Kulturveranstalter:innen meine Art des Arbeitens und der Verbreitung meiner Kunst kommunizieren.


 

Was würdest du anders machen?

Ich würde die Entwicklung eines neuen Programms von Anfang an breiter kommunizieren – nicht nur innerhalb meiner eigenen Community, sondern gezielt auch gegenüber ausgewählten Kulturveranstalter:innen.
Weniger mit dem Ziel, etwas zu „verkaufen“, sondern eher im Sinne von: Was macht sie da – als Nischenprodukt am Rand des Kulturbetriebs? Wie macht sie es? Und könnte das vielleicht inspirierend sein?

Während der Weiterentwicklung habe ich nämlich genau mit dieser offenen Art der Kommunikation spannende Kulturorte entdeckt, die selbst nicht mehr den klassischen Weg gehen – also nicht (nur) auf öffentliche Gelder, Stiftungen oder Vereinsstrukturen setzen.

Ich glaube, da liegt enormes Potenzial. Gerade für die kommenden Zeiten, in denen sich – auch in der bisher wohlhabend-stabilen Schweiz – die Kulturarbeit verändern wird.

Würdest du Ting deinen Freund:innen empfehlen? 

Ich würde Ting auf jeden Fall meinen Freund:innen empfehlen – und habe das auch schon getan.
Zum Beispiel einer Theologin, die sich aus einer toxischen Arbeitssituation gelöst hat und nun ganz neu herausfinden muss, ob ihr Platz überhaupt noch innerhalb der Institutionen ist – ob sie weiter versuchen will, von innen heraus zu transformieren, oder ob ihr Weg künftig ausserhalb liegt.
Für solche Übergangsphasen ist Ting eine grosse Chance.

Möchtest du der Community noch mehr über deine Weiterentwicklung erzählen?

Von der Community über sechs Monate hinweg getragen zu werden – in vollkommener Freiheit und zugleich mit grosser Sorgfalt und tiefer Auseinandersetzung mit der eigenen Wirksamkeit und „Nützlichkeit“ (nicht im neoliberalen Sinn) für diese grosse Wandelzeit und darüber hinaus – war und ist für mich eine der bestärkendsten, eindrucksvollsten und, auf wunderbare Weise, auch vertrautesten Erfahrungen meines Lebens.
Im Sinn von: Es geht. Und so könnte es doch eigentlich überall gehen.

 

Weitere Informationen:

https://olgatucek.ch

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